Zum Scheitern von Großprojekten in der öffentlichen Verwaltung

21. Oktober 2022

BERICHT

Planänderungen und Überraschungen bei öffentlichen Großprojekten keine Ausnahme

Seit dem öffentlichkeitswirksamen Bau des BER wundert sich wohl niemand mehr über verzögerte Zeitpläne bei Bauprojekten. Doch lange Zeitverzögerungen, horrende Budgetüberschreitungen, Fehleinschätzungen, Qualitätsmängel und abgebrochene Projekte sind nicht nur im Bau oft gesehene Phänomene. Kürzlich gab es wieder eine Überraschung, als Finanzminister Christian Lindner zum Energieausgleich-Projekt mitteilte, dass die Zusammenführung von Steuernummern und IBAN aller Bürgerinnen und Bürger etwa 18 Monate dauern würde. Darüber hinaus seien nur 100.000 Überweisungen am Tag möglich, so in einem Bericht im Business Anzeiger. Als weitere bekannte Beispiele lassen sich die Umstellung des Paragrafen 2 b UStG nennen, die zwei Jahre länger als geplant gedauert hat, oder die Frist zur Abgabe der Grundsteuer-Erklärung, die von Oktober 2022 auf Januar 2023 verlängert wurde. 

Mögliche Gründe für das Scheitern 

Doch woher rühren die oftmals weitreichenden Planänderungen und gescheiterten Projekte? Fehlende Mitarbeiter, unklare Verteilung der Kompetenzen und unzureichende Kommunikation sind auch in der Privatwirtschaft allseits bekannte Faktoren. Laut Wieland Cichon, Professor für Projektberatung und Projektmanagement an der Hochschule München, hat die öffentliche Hand außerdem weder die Erfahrung noch die Kompetenz, große Projekte umzusetzen. Es fehle an professionellen Projektmanagern sowie an klaren Formulierungen von Zielen und Anforderungen, so Cichon im CIO. Auch im Bereich der Digitalisierung, so die Unternehmensberatung ITSMgroup, führten vor allem unklare Projektziele und ungeklärte Kompetenzen zu einer Orientierungslosigkeit der Mitarbeitenden und zu einem “gefährlichen Eigenleben von Teilprojekten”, denen das gemeinsame Ziel abhanden komme. Oft fehle es zudem an umfangreichen Tests und Rollouts von IT-Projekten und der Einbindung aller Abteilungen, um einen reibungslosen Ablauf im laufenden Betrieb und die Akzeptanz von Anwendern zu erhöhen. 

Viele aus dem Ruder geratene Projektverläufe laut einer Studie in der Tat vermeidbar

Im Rahmen einer Studie der Hertie School of Governance sowie der Karl Schlecht-Stiftung mit dem Titel „Großprojekte in Deutschland – zwischen Ambition und Realität“ wurden zu diesem Thema 170 Großprojekte aus den Bereichen öffentliche Gebäude, Verkehr, Energie, Rüstungsbeschaffung sowie Informations- und Kommunikationstechnologie (ITK) zwischen 1960 und 2014 analysiert. Dabei wurde festgestellt, dass oft bereits während der Vorplanungsphase und bei der Projekt-Governance vermeidbare Fehler gemacht werden, die später zu erheblichen Kostensteigerungen führen. 

Was ist zu tun?

Zur Lösung des Problems, gerade in Bezug auf Kostenexplosionen im Baubereich, empfiehlt die Hertie-Studie eine Integration von kompetenten Personen aus der Privatwirtschaft und dem Baugewerbe in die Aufsichtsgremien. Außerdem sollten erfahrene Projektpartner in das Projektmanagement aufgenommen und das Risikomanagement verbessert werden. Hierfür wäre eine finanzielle Beteiligung in einer Realisierungsgesellschaft oder die Beauftragung von einem Generalunternehmer möglich. Des Weiteren könnten eine ausreichende Planungstiefe ständige Planänderungen vermeiden und eine öffentliche Datenbank für Infrastrukturprojekte nach dem Vorbild der britischen Major Project Authority große Projekte erfassen und auswerten.

Die Fortbildungskampagne öffentliches Recht bietet im November eine Reihe von Praxisseminaren zur erfolgreichen Umsetzung von Bauprojekten an:

7.-18.11.22

24.11.22

25.11.22

Für nähere Informationen zu den Seminaren der Fortbildungskampagne öffentliches Recht besuchen Sie unsere Webseite www. fortbildungskampagne.de. 

Für weitere Informationen und Fragen wenden Sie sich bitte an: 


Constanze Korb

Fortbildungskampagne öffentliches Recht

Presse und Kommunikation


Tel.: +49 (0) 30 89 56 27 13

E-Mail: presse@fortbildungskampagne.de


Über Fortbildungskampagne öffentliches Recht:


Die Fortbildungskampagne öffentliches Recht wurde 2019 in Berlin gegründet und erweitert das Weiterbildungsangebot im öffentlichen Sektor durch effiziente Veranstaltungen im Hybrid-Format. ExpertInnen aus der Praxis, aus Forschung und Lehre und dem Rechtsbereich vermitteln ihr fundiertes Wissen im Rahmen von Seminaren und Inhouse-Schulungen. Die Veranstaltungen bieten einen direkten Austausch mit den ReferentInnen vor Ort und online.


Die Fortbildungskampagne eruiert über fortlaufende Recherchen und den ständigen Austausch mit ExpertInnen und Institutionen den tatsächlichen Fortbildungsbedarf an aktuellen und praxisrelevanten Themen. Sie versteht sich als eine innovative Plattform für Wissenstransfer, deren Angebot die öffentliche Hand aktiv mitgestalten kann. 

31. März 2025
Meinungsbeitrag: Till Spurny Ein Wort wie „Entmenschlichung“ brachte man bis vor kurzem allenfalls mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Deutschland in Verbindung. Inzwischen werden jedoch von der amerikanischen Regierung Pressefotos verbreitet, auf denen Menschen in Gefangenschaft gezeigt werden, mit kahl geschorenen Köpfen, unwürdig in eine gebeugte Haltung gedrückt, um die „erfolgreichen Deportationen“ aus den USA zu belegen. Das ist ein Beispiel für Entmenschlichung, einer Vorstufe zu noch mehr Entwürdigung und roher Gewalt. Dass die aggressive Rhetorik und die dazugehörenden Handlungen der US-Regierung (Stichwort: Yemen) wie eine Gewaltankündigung verstanden werden können, zeigt nicht zuletzt ein aktuelles Zitat von Warren Buffet, in dem er die Erhebung von Zöllen als „Kriegshandlung“ bezeichnet (Tariffs are 'an act of war ', W. Buffet). Warum ist das relevant, wenn man zum Beispiel gerade dabei ist, die Digitalisierung voranzutreiben und Prozesse durch Technologie, Software und KI zu vereinfachen? Die Beobachtung dieser schleichenden Entmenschlichung ist deshalb relevant, weil wir uns in Deutschland bereits in einer Situation wiederfanden, in der die Puzzleteile und Einzelereignisse retrospektiv rekonstruiert werden mussten, um die größte Katastrophe unserer Geschichte zu erklären. Im Rückblick wurde dann schrittweise erklärbar, wie es zu einer Situation kommen konnte, in der Menschen nicht mehr Menschen waren. In der Rückschau konnte man dann den Stellenwert einzelner Ereignisse bewerten und konkret aufzeigen, wie letztlich eines zum anderen führen konnte. Auch wenn heute niemand sagen kann, in welche Zukunft wir uns konkret bewegen, mit welcher Überschrift das gegenwärtige Kapitel in den Geschichtsbüchern einst überschrieben sein wird, so ist doch spürbar, dass dies ein historischer Moment ist. Werden neue Technologien und Innovationen vor diesem Hintergrund stets mit einer positiv besetzten Vorstellung von Fortschritt und Entwicklung verbunden bleiben? Oder ist es denkbar, dass zum Beispiel künstliche Intelligenz einst mit Kontrolle, Herrschaft und Macht in Verbindung gebracht wird? Das darf man durchaus fragen, angesichts einer nahezu vollständig selbstverständlichen und weitreichenden Technologieabhängigkeit. Wem das gänzlich abwegig erscheint, der möge sich fragen, wie es der Technologie-Industrie bisher gelungen ist, Produkte an hunderte Millionen oder gar Milliarden von Kunden zu verkaufen und gleichzeitig die negativen Konnotationen aus Orwell's 1984 und anderen Fiktionen zu vermeiden. Es ist durchaus bezeichnend, dass Jensen Huang, Gründer und CIO von NVIDIA, dem wichtigsten Hersteller von KI-Prozessoren der Welt, kürzlich eine Kollaboration im Bereich Robotics zwischen NVIDIA, Open AI und Disney Research verkündet hat. Das lässt erkennen, dass man auch für ernsthafte KI-gestützte Roboter-Technologie offenbar ein Unternehmen wie Disney benötigt, das den Maschinen Töne, Geräusche und Gesten einverleiben kann. Damit wird uns Menschen das Gefühl vermittelt, es mit intelligenten Wesen zu interagieren anstatt mit Plastik- und Aluminiumkästen und Kupferdrähten. Im besten Fall unterstützt uns die Technologie darin, einfach menschlich zu sein - eben Mensch zu sein. Doch das bedeutet auch, dass wir aufhorchen sollten, wenn die Grenze zur Entmenschlichung überschritten wird.
17. Februar 2025
Lebenslang lernen - Fluch oder Segen?
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