EU- und nationale Gesetze in Konkurrenz: Interessenskonflikte im EU-Beihilfenrecht

20. Oktober 2022

BERICHT

Das polnische Verfassungsgericht gibt nationalem Recht teilweise Vorrang vor EU-Recht

Das Verfassungsgericht in Warschau hat am 11. Oktober 2022 in einem Urteil entschieden, dass Polen das EU-Recht nicht gezwungenermaßen in seine Rechtsprechung aufnehmen muss. Damit widersetzt sich das Land dem bisherigen Konsens, dass das EU-Recht vor dem nationalen Recht Vorrang habe. Die Richter begründeten das Urteil zum Teil damit, dass das EU-Recht die Grenzen seiner von Polen zuerkannten Kompetenzen überschreite. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, wird es wahrscheinlich zu einem Stopp der EU-Gelder kommen. 

Polen als Paradebeispiel für das Spannungsfeld zwischen europäischem und nationalem Gesetz

Die Situation in Polen spiegelt exemplarisch wider, wie schnell es zwischen den verschiedenen Kompetenzebenen zu Spannungen kommen kann. Schließlich hat jedes Land seine individuellen Rahmenbedingungen und Rechtsprechungen. Dadurch komme es immer wieder zu Konflikten, denen die EU-Kommission seit vielen Jahren überwiegend mit einer Appeasement-Politik begegne, so Daniel Freud von den Grünen im Deutschlandfunk. Es sei essentiell, dass die EU-Kommission nun klare Signale mit Sanktionen setze, damit sich nicht weitere Länder dem Beispiel Polen anschließen. 

EU-Recht und nationales Recht sollten in Kooperationsbeziehung stehen

Doch wie lassen sich die Beziehungen der verschiedenen Instanzen auf lange Sicht konstruktiv gestalten? Grundsätzlich ist es zutreffend, dass das EU-Recht gegenüber dem nationalen Recht als vorrangig zu bewerten ist. Jedoch lässt sich diese Prämisse nicht immer mit dem Grundgesetz in Einklang bringen. Daher muss geklärt werden, ob eventuelle Einschränkungen der nationalen Gesetze auch vertretbar sind. Besonders in Bezug auf die Grundrechte möchte das Bundesverfassungsgericht am Ende gern das letzte Wort haben. Auch der Europäische Gerichtshof habe erkannt, so die Bundeszentrale für politische Bildung, dass beide Rechtsordnungen in einer Kooperationsbeziehung stehen sollten, da es laut europäischer Gemeinschaftsrechtordnung kein Unter- oder Überordnungsverhältnis gebe.

Herausforderungen bei der Verabschiedung von EU-Richtlinien

Doch wie können Bundes- und Landesrecht parallel umgesetzt werden? Bei jeder Verordnung müssen nationale Gesetze berücksichtigt und die angemessene Reichweite des EU-Gesetzes erörtert werden. Sind Einschränkungen der Grundrechte nicht zu vermeiden, sind sie schonend vorzunehmen, so dass Bürgerinnen und Bürger nicht beeinträchtigt werden. Letztendlich entscheiden die Gesetzgeber individuell, wie viele Spielräume vorhanden sind. Um EU-Richtlinien durchzusetzen, müssen sich Bund und Länder dann innerhalb einer bestimmten Frist einig werden, wie eine Umsetzung verfahrenstechnisch, inhaltlich und formell umsetzbar ist. An dieser Stelle kommt die EU-Kommission ins Spiel, die als unabhängige Instanz die Rechtslage prüft. 

Die Fortbildungskampagne öffentliches Recht veranstaltet am 27.01.2023 ein Praxisseminar zum Thema EU-Beihilfenrecht, in dem auch die Unterschiede zwischen europäischem und nationalem Recht vermittelt werden. 

Hier geht es direkt zur ausführlichen Agenda der Veranstaltung.

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Constanze Korb

Fortbildungskampagne öffentliches Recht

Presse und Kommunikation


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Über Fortbildungskampagne öffentliches Recht:


Die Fortbildungskampagne öffentliches Recht wurde 2019 in Berlin gegründet und erweitert das Weiterbildungsangebot im öffentlichen Sektor durch effiziente Veranstaltungen im Hybrid-Format. ExpertInnen aus der Praxis, aus Forschung und Lehre und dem Rechtsbereich vermitteln ihr fundiertes Wissen im Rahmen von Seminaren und Inhouse-Schulungen. Die Veranstaltungen bieten einen direkten Austausch mit den ReferentInnen vor Ort und online.


Die Fortbildungskampagne eruiert über fortlaufende Recherchen und den ständigen Austausch mit ExpertInnen und Institutionen den tatsächlichen Fortbildungsbedarf an aktuellen und praxisrelevanten Themen. Sie versteht sich als eine innovative Plattform für Wissenstransfer, deren Angebot die öffentliche Hand aktiv mitgestalten kann. 

31. März 2025
Meinungsbeitrag: Till Spurny Ein Wort wie „Entmenschlichung“ brachte man bis vor kurzem allenfalls mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Deutschland in Verbindung. Inzwischen werden jedoch von der amerikanischen Regierung Pressefotos verbreitet, auf denen Menschen in Gefangenschaft gezeigt werden, mit kahl geschorenen Köpfen, unwürdig in eine gebeugte Haltung gedrückt, um die „erfolgreichen Deportationen“ aus den USA zu belegen. Das ist ein Beispiel für Entmenschlichung, einer Vorstufe zu noch mehr Entwürdigung und roher Gewalt. Dass die aggressive Rhetorik und die dazugehörenden Handlungen der US-Regierung (Stichwort: Yemen) wie eine Gewaltankündigung verstanden werden können, zeigt nicht zuletzt ein aktuelles Zitat von Warren Buffet, in dem er die Erhebung von Zöllen als „Kriegshandlung“ bezeichnet (Tariffs are 'an act of war ', W. Buffet). Warum ist das relevant, wenn man zum Beispiel gerade dabei ist, die Digitalisierung voranzutreiben und Prozesse durch Technologie, Software und KI zu vereinfachen? Die Beobachtung dieser schleichenden Entmenschlichung ist deshalb relevant, weil wir uns in Deutschland bereits in einer Situation wiederfanden, in der die Puzzleteile und Einzelereignisse retrospektiv rekonstruiert werden mussten, um die größte Katastrophe unserer Geschichte zu erklären. Im Rückblick wurde dann schrittweise erklärbar, wie es zu einer Situation kommen konnte, in der Menschen nicht mehr Menschen waren. In der Rückschau konnte man dann den Stellenwert einzelner Ereignisse bewerten und konkret aufzeigen, wie letztlich eines zum anderen führen konnte. Auch wenn heute niemand sagen kann, in welche Zukunft wir uns konkret bewegen, mit welcher Überschrift das gegenwärtige Kapitel in den Geschichtsbüchern einst überschrieben sein wird, so ist doch spürbar, dass dies ein historischer Moment ist. Werden neue Technologien und Innovationen vor diesem Hintergrund stets mit einer positiv besetzten Vorstellung von Fortschritt und Entwicklung verbunden bleiben? Oder ist es denkbar, dass zum Beispiel künstliche Intelligenz einst mit Kontrolle, Herrschaft und Macht in Verbindung gebracht wird? Das darf man durchaus fragen, angesichts einer nahezu vollständig selbstverständlichen und weitreichenden Technologieabhängigkeit. Wem das gänzlich abwegig erscheint, der möge sich fragen, wie es der Technologie-Industrie bisher gelungen ist, Produkte an hunderte Millionen oder gar Milliarden von Kunden zu verkaufen und gleichzeitig die negativen Konnotationen aus Orwell's 1984 und anderen Fiktionen zu vermeiden. Es ist durchaus bezeichnend, dass Jensen Huang, Gründer und CIO von NVIDIA, dem wichtigsten Hersteller von KI-Prozessoren der Welt, kürzlich eine Kollaboration im Bereich Robotics zwischen NVIDIA, Open AI und Disney Research verkündet hat. Das lässt erkennen, dass man auch für ernsthafte KI-gestützte Roboter-Technologie offenbar ein Unternehmen wie Disney benötigt, das den Maschinen Töne, Geräusche und Gesten einverleiben kann. Damit wird uns Menschen das Gefühl vermittelt, es mit intelligenten Wesen zu interagieren anstatt mit Plastik- und Aluminiumkästen und Kupferdrähten. Im besten Fall unterstützt uns die Technologie darin, einfach menschlich zu sein - eben Mensch zu sein. Doch das bedeutet auch, dass wir aufhorchen sollten, wenn die Grenze zur Entmenschlichung überschritten wird.
17. Februar 2025
Lebenslang lernen - Fluch oder Segen?
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