Vorratsbeschaffung als strategisches Beschaffungsmanagement im öffentlichen Sektor

26. Oktober 2022

BERICHT

Vorratsbeschaffung in Zeiten der Lieferengpässe hoch im Kurs in der Privatwirtschaft

Ob “Just in time”-, Einzel- oder Vorratsbeschaffung - die strategische Materialbeschaffung ist in der Privatwirtschaft äußerst relevant für die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen. Dabei kommt aufgrund von Lieferengpässen der Vorratsbeschaffung in letzter Zeit eine größere Bedeutung zu, auch wenn hierbei die Lager- und Kapitalbindungskosten im Auge zu behalten sind. “Just in time”- und Einzelbeschaffungen bergen demgegenüber die Gefahr von Lieferverzögerungen.

Wie sieht es mit der Vorratsbeschaffung im öffentlichen Sektor aus? 

Doch ist eine Vorratsbeschaffung auch im öffentlichen Sektor praktikabel und sinnvoll? Michael Mroß schreibt in seinem 2015 veröffentlichten Buch Betriebswirtschaft im öffentlichen Sektor: Eine Einführung: “Die Vorratsbeschaffung bietet sich insbesondere für solche Güter an, die an eine bestimmte Beschaffungszeit gebunden sind und die durch Lagerzeiten keine Qualitätseinbußungen erfahren …”. Sei die Entscheidung für eine Vorratsbeschaffung gefallen, so stelle sich die Frage, wann bzw. nach welchen Maßgaben der Vorrat angelegt werden solle. 

Laut Mroß können die Beschaffenden hier zwischen dem Bestellrhythmus- und dem Bestellpunkt-Verfahren wählen. Im ersten Fall wird der Lagerbestand nach einer bestimmten Zeit um einen bestimmten Bestand (je nach Verbrauch) wieder aufgefüllt. Im zweiten Fall ist der Zeitpunkt der Bestellung variabel, jedoch bleibt die Bestellmenge immer gleich. Es wird bestellt, wenn ein zuvor festgelegter Meldebestand erreicht wurde. 

Präzise Ermittlung der Bedürfnisse für eine nachfrageorientierte Beschaffungsstrategie

Tobias Mettler stellt in seiner Dissertation zum Supply Management im Krankenhaus an der Universität St. Gallen (2010) fest, dass die Grundlage für die Formulierung einer nachfrageorientierten Beschaffungsstrategie sowie für eine zielbewusste Verhandlung am Beschaffer-Markt die präzise Ermittlung der Bedürfnisse der Fachbereiche sei. Voraussetzung dafür sei “die kontinuierliche Erhebung über Menge und Wert der zentral und dezentral verwalteten Lagerbestände sowie eine saubere Klassifizierung der Produkte und Lieferanten”. Während bei Einzelbeschaffungen sichergestellt werden müsse, dass der Freigabeprozess eingehalten und der Einkauf angemessen involviert wird, seien im Falle der Vorratsbeschaffung die einzelnen Bestellpositionen zu bündeln und möglichst “medienbruchfrei” zu übermitteln. 

Sukzessivlieferungsverträge bei Serien- und Massenanfertigungen sinnvoll

Sven Lübbe (2005) hält eine Vorratsbeschaffung dann für sinnvoll, wenn ein Betrieb gegenüber Schwankungen auf dem Beschaffungsmarkt bei Serien- und Massenanfertigungen abgesichert sein muss. Die Güter würden weitestgehend unabhängig von der Produktion beschafft und könnten bei Bedarf vom Lager entnommen werden. Durch die großen Bestellmengen ließen sich Mengenrabatte und geringere Transportkosten aushandeln. Nicht zuletzt können die höheren Lager- und Kapitalbindungskosten durch Sukzessivlieferungsverträge ausgeglichen werden, so Lübbe. 

Der öffentlichen Auftragsvergabe geht stets ein konkreter Bedarf voraus. Bislang ist es unüblich, dass beispielsweise PCs oder technische Geräte auf Vorrat beschafft werden, ohne dass ein konkreter Bedarf bestünde. Auch bei Dingen wie etwa Streusalz werden die Lieferanten in die Pflicht genommen. 

In Zeiten jedoch, in denen man sich vor Angriffen auf kritische Infrastrukturen abzusichern versucht, rücken die Speicher zunehmend ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Inwiefern in diesem Zusammenhang ein Handlungsdruck für öffentliche Auftraggeber entsteht, bleibt in den kommenden Monaten zu beobachten. 

Die Fortbildungskampagne öffentliches Recht bietet regelmäßig Praxisseminare zum Thema Vergaberecht mit zahlreichen Tipps zur strategischen Beschaffung an. Eine aktuelle Seminarübersicht finden Sie auf www.fortbildunngskampagne.de.

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Constanze Korb

Fortbildungskampagne öffentliches Recht

Presse und Kommunikation


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Über Fortbildungskampagne öffentliches Recht:


Die Fortbildungskampagne öffentliches Recht wurde 2019 in Berlin gegründet und erweitert das Weiterbildungsangebot im öffentlichen Sektor durch effiziente Veranstaltungen im Hybrid-Format. ExpertInnen aus der Praxis, aus Forschung und Lehre und dem Rechtsbereich vermitteln ihr fundiertes Wissen im Rahmen von Seminaren und Inhouse-Schulungen. Die Veranstaltungen bieten einen direkten Austausch mit den ReferentInnen vor Ort und online.


Die Fortbildungskampagne eruiert über fortlaufende Recherchen und den ständigen Austausch mit ExpertInnen und Institutionen den tatsächlichen Fortbildungsbedarf an aktuellen und praxisrelevanten Themen. Sie versteht sich als eine innovative Plattform für Wissenstransfer, deren Angebot die öffentliche Hand aktiv mitgestalten kann. 

31. März 2025
Meinungsbeitrag: Till Spurny Ein Wort wie „Entmenschlichung“ brachte man bis vor kurzem allenfalls mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Deutschland in Verbindung. Inzwischen werden jedoch von der amerikanischen Regierung Pressefotos verbreitet, auf denen Menschen in Gefangenschaft gezeigt werden, mit kahl geschorenen Köpfen, unwürdig in eine gebeugte Haltung gedrückt, um die „erfolgreichen Deportationen“ aus den USA zu belegen. Das ist ein Beispiel für Entmenschlichung, einer Vorstufe zu noch mehr Entwürdigung und roher Gewalt. Dass die aggressive Rhetorik und die dazugehörenden Handlungen der US-Regierung (Stichwort: Yemen) wie eine Gewaltankündigung verstanden werden können, zeigt nicht zuletzt ein aktuelles Zitat von Warren Buffet, in dem er die Erhebung von Zöllen als „Kriegshandlung“ bezeichnet (Tariffs are 'an act of war ', W. Buffet). Warum ist das relevant, wenn man zum Beispiel gerade dabei ist, die Digitalisierung voranzutreiben und Prozesse durch Technologie, Software und KI zu vereinfachen? Die Beobachtung dieser schleichenden Entmenschlichung ist deshalb relevant, weil wir uns in Deutschland bereits in einer Situation wiederfanden, in der die Puzzleteile und Einzelereignisse retrospektiv rekonstruiert werden mussten, um die größte Katastrophe unserer Geschichte zu erklären. Im Rückblick wurde dann schrittweise erklärbar, wie es zu einer Situation kommen konnte, in der Menschen nicht mehr Menschen waren. In der Rückschau konnte man dann den Stellenwert einzelner Ereignisse bewerten und konkret aufzeigen, wie letztlich eines zum anderen führen konnte. Auch wenn heute niemand sagen kann, in welche Zukunft wir uns konkret bewegen, mit welcher Überschrift das gegenwärtige Kapitel in den Geschichtsbüchern einst überschrieben sein wird, so ist doch spürbar, dass dies ein historischer Moment ist. Werden neue Technologien und Innovationen vor diesem Hintergrund stets mit einer positiv besetzten Vorstellung von Fortschritt und Entwicklung verbunden bleiben? Oder ist es denkbar, dass zum Beispiel künstliche Intelligenz einst mit Kontrolle, Herrschaft und Macht in Verbindung gebracht wird? Das darf man durchaus fragen, angesichts einer nahezu vollständig selbstverständlichen und weitreichenden Technologieabhängigkeit. Wem das gänzlich abwegig erscheint, der möge sich fragen, wie es der Technologie-Industrie bisher gelungen ist, Produkte an hunderte Millionen oder gar Milliarden von Kunden zu verkaufen und gleichzeitig die negativen Konnotationen aus Orwell's 1984 und anderen Fiktionen zu vermeiden. Es ist durchaus bezeichnend, dass Jensen Huang, Gründer und CIO von NVIDIA, dem wichtigsten Hersteller von KI-Prozessoren der Welt, kürzlich eine Kollaboration im Bereich Robotics zwischen NVIDIA, Open AI und Disney Research verkündet hat. Das lässt erkennen, dass man auch für ernsthafte KI-gestützte Roboter-Technologie offenbar ein Unternehmen wie Disney benötigt, das den Maschinen Töne, Geräusche und Gesten einverleiben kann. Damit wird uns Menschen das Gefühl vermittelt, es mit intelligenten Wesen zu interagieren anstatt mit Plastik- und Aluminiumkästen und Kupferdrähten. Im besten Fall unterstützt uns die Technologie darin, einfach menschlich zu sein - eben Mensch zu sein. Doch das bedeutet auch, dass wir aufhorchen sollten, wenn die Grenze zur Entmenschlichung überschritten wird.
17. Februar 2025
Lebenslang lernen - Fluch oder Segen?
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