Rückblick: Praxisseminar USER MEETS IT – Digitalisierungsprojekte im öffentlichen Sektor, am 16./17.11.2020

11. Januar 2021

PRESSEBERICHT

13 ExpertInnen referieren zu Umsetzungsstrategien der Digitalisierung im öffentlichen Sektor
In diesem zweitägigen Online-Praxisseminar mit Live-Stream aus dem IntercityHotel Berlin Hauptbahnhof referierten 13 ExpertInnen aus den Bereichen Wirtschaft, Verwaltung und IT zu brandaktuellen Aspekten rund um das Thema Digitalisierung im öffentlichen Sektor. Denn durch das Onlinezugangsgesetz (OZG) müssen Bund und Länder ihre Verwaltungsleistungen bis spätestens 2022 auch in elektronischer Form anbieten. Bekanntlich ist die Covid-19-Pandemie ein zusätzlicher Treiber der aktuellen Digitalisierungsprozesse. 

Rege Diskussionen unter den TeilnehmerInnen
Begleitet und aufgelockert wurde das gut besuchte Seminar durch die Hochschulerfrischerin und agile Prozessexpertin Ulrike Margit Wahl, die als Moderatorin für eine regen Austausch unter den Teilnehmern und für Kurzweiligkeit in der Veranstaltung sorgte. So wurden Bedenken zur realistischen Umsetzung des OZG bis 2022 diskutiert, denn vielen Verwaltungseinheiten fehlt es an personellen und finanziellen Ressourcen, an der geeigneten IT-Infrastruktur und an der thematischen Akzeptanz unter den Mitarbeitern. Zudem kommt es immer wieder zu Datenschutzbedingten Herausforderungen. 

Kommunale Best-Practice-Modelle 
Einen geeigneten Weg, um den Mehrwert und die Chancen der Digitalisierung für Verwaltungsmitarbeiter zu verdeutlichen, bieten Best-Practice-Modelle. Vor allem die Kommunen waren auf diesem Gebiet 2020 auf dem Vormarsch. Als Vorreiter in der Umsetzung des OZG wurden der Hamburger Hafen und die „Digitalisierung von Verwaltungsleistungen – Praxisbericht zur kommunalen OZG-Umsetzung in Schleswig-Holstein“ vorgestellt. Lässt sich ein Hafen zukünftig vom Wohnzimmer aus steuern? Und können die Digitalisierungsvorhaben der Kommunen durch gemeinsam genutzte Portale, wie es das Land Schleswig-Holstein anbietet, beschleunigt werden?

eAkte und Open Data als nützliche digitale Verwaltungsleistungen
In einem weiteren Themenblock erhielten die TeilnehmerInnen Einblicke in das Thema Dokumentenmanagementsystem (DMS) und eAkte, die seit 2013 aufgrund der Reduzierung von Lagerflächen, der Papiereinsparung sowie der schnelleren und ortsunabhängigen Bearbeitung im Kommen ist. Welche rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen für die Implementierung sind zu beachten? 
Ähnlich verhält es sich mit der Bereitstellung von maschinenlesbaren offen Daten (Open Data), deren Anwendung und Nutzen den Verwaltungen und Behörden oft noch nicht geläufig sind. 

Anwendungsbeispiel der Blockchain-Technologie: OZG Umsetzungsprojekt digitales Schulzeugnis
Wer heutzutage in Sachen Digitalisierung mitreden möchte, sollte sich auch mit der Blockchain auskennen. Wie diese Technologie, die ursprünglich für die Bitcoin entwickelt wurde, im Verwaltungsbereich eingesetzt werden kann, ist anschaulich am Beispiel der Übermittlung digitaler Schulzeugnisse in Bewerbungsprozessen erläutert worden. 

Umsetzungserfahrungen mit der XRechnung
Seit 2017 findet zudem der elektronische Rechnungsaustausch zwischen öffentlichen Auftraggebern in Deutschland Anwendung. Hierzu erfuhren die Seminar-TeilnehmerInnen den aktuellen Stand der Umsetzung auf nationaler und europäischer Ebene. Im Zuge dessen wurden mögliche Synergien zwischen den Kommunen und Ländern diskutiert. 

Digitale Herausforderungen: KI und TRResiscan in der öffentlichen Verwaltung
Am zweiten Seminartag ging es weiter mit Potenzialen, Barrieren und Risiken beim Einsatz von künstlicher Intelligenz in Verwaltungsprozessen. Hierfür wurden verschiedene Praxismodelle genannt und rechtliche Rahmenbedingungen besprochen. Rechtliche Aspekte bestimmten auch die Diskussion rund um das Thema Scannen von sensiblen Dokumenten in Verwaltungseinrichtungen. Außerdem wurden effiziente Scan-Strategien und mögliche Synergien zwischen den Fachämtern diskutiert.  

Mobiles Arbeiten und Cloud 2.0 - Empfehlungen aus der Praxis
Eines der am meisten bedachten Themen seit dem Beginn der Covid 19-Pandemie ist sicherlich das mobile Arbeiten. Welche Vor- und Nachteile und welche Betriebsrisiken bringt diese neue Form des Arbeitens hervor? Wie bleiben sensible Daten weiterhin geschützt und welche technischen und arbeitsrechtlichen Herausforderungen gibt es? Auch hier gab es wertvolle Erkenntnisse und Praxistipps; ebenso auf dem Gebiet des Cloud Computing der zweiten Generation. Wie lassen sich Automatisierungsprozesse und IT-Sicherheit verbessern und welche Liefermodelle sind empfehlenswert?

Smarte öffentliche Verwaltung durch Scrum und Design Thinking
Der Weg hin zu einer digitalen Verwaltung führt auch zum Projekt- und Produktmanagement-Werkzeug Scrum, das insbesondere für die agile Softwareentwicklung eingesetzt wird. Hierbei sind Entwickler und Anwender im ständigen Austausch miteinander, um die Umsetzung der Digitalisierungsprojekte erfolgreicher zu gestalten. 

Last but not least ist das Design Thinking ein wichtiges Digitalisierungstool in der OZG-Umsetzung. Durch das Einsetzen von kundenorientierten und iterativen Methoden lassen sich erwünschte, wirtschaftliche und machbare Lösungsansätze komplexer Probleme finden.  

Fazit
Es ist noch viel zu tun, um den digitalen Kulturwandel in der öffentlichen Verwaltung zu vollziehen. Abgeschlossen wird dieser wohl erst nach 2022 und dem Ende der Covid 19-Pandemie sein. Die Beseitigung von Barrieren kann durch eine grundlegende Offenheit gegenüber dem Lernen und großen Zukunftsvisionen gelingen. Was dabei nie vergessen werden sollte: Fortbildung macht Spaß, und am Zahn der Zeit zu Arbeiten bringt auch viele persönliche Vorteile. 

User meets IT - Digitalisierungsprojekte im öffentlichen Sektor

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Über Fortbildungskampagne öffentliches Recht:

Die Fortbildungskampagne öffentliches Recht wurde 2019 in Berlin gegründet und erweitert das Weiterbildungsangebot im öffentlichen Sektor durch effiziente Veranstaltungen im Hybrid-Format. ExpertInnen aus der Praxis, aus Forschung und Lehre und dem Rechtsbereich vermitteln ihr fundiertes Wissen im Rahmen von Seminaren und Inhouse-Schulungen praxisnah an einem Tag. Die Veranstaltungen bieten einen direkten Austausch mit den ReferentInnen vor Ort und online.


Die Fortbildungskampagne eruiert über fortlaufende Recherchen und den ständigen Austausch mit ExpertInnen und Institutionen den tatsächlichen Fortbildungsbedarf an aktuellen und praxisrelevanten Themen. Sie versteht sich als eine innovative Plattform für Wissenstransfer, deren Angebot die öffentliche Hand aktiv mitgestalten kann. 

Für weitere Informationen und Fragen wenden Sie sich bitte an: 


Constanze Korb

Fortbildungskampagne öffentliches Recht

Presse und Kommunikation


Tel.: +49 (0) 30 89 56 27 13

E-Mail: presse@fortbildungskampagne.de


31. März 2025
Meinungsbeitrag: Till Spurny Ein Wort wie „Entmenschlichung“ brachte man bis vor kurzem allenfalls mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Deutschland in Verbindung. Inzwischen werden jedoch von der amerikanischen Regierung Pressefotos verbreitet, auf denen Menschen in Gefangenschaft gezeigt werden, mit kahl geschorenen Köpfen, unwürdig in eine gebeugte Haltung gedrückt, um die „erfolgreichen Deportationen“ aus den USA zu belegen. Das ist ein Beispiel für Entmenschlichung, einer Vorstufe zu noch mehr Entwürdigung und roher Gewalt. Dass die aggressive Rhetorik und die dazugehörenden Handlungen der US-Regierung (Stichwort: Yemen) wie eine Gewaltankündigung verstanden werden können, zeigt nicht zuletzt ein aktuelles Zitat von Warren Buffet, in dem er die Erhebung von Zöllen als „Kriegshandlung“ bezeichnet (Tariffs are 'an act of war ', W. Buffet). Warum ist das relevant, wenn man zum Beispiel gerade dabei ist, die Digitalisierung voranzutreiben und Prozesse durch Technologie, Software und KI zu vereinfachen? Die Beobachtung dieser schleichenden Entmenschlichung ist deshalb relevant, weil wir uns in Deutschland bereits in einer Situation wiederfanden, in der die Puzzleteile und Einzelereignisse retrospektiv rekonstruiert werden mussten, um die größte Katastrophe unserer Geschichte zu erklären. Im Rückblick wurde dann schrittweise erklärbar, wie es zu einer Situation kommen konnte, in der Menschen nicht mehr Menschen waren. In der Rückschau konnte man dann den Stellenwert einzelner Ereignisse bewerten und konkret aufzeigen, wie letztlich eines zum anderen führen konnte. Auch wenn heute niemand sagen kann, in welche Zukunft wir uns konkret bewegen, mit welcher Überschrift das gegenwärtige Kapitel in den Geschichtsbüchern einst überschrieben sein wird, so ist doch spürbar, dass dies ein historischer Moment ist. Werden neue Technologien und Innovationen vor diesem Hintergrund stets mit einer positiv besetzten Vorstellung von Fortschritt und Entwicklung verbunden bleiben? Oder ist es denkbar, dass zum Beispiel künstliche Intelligenz einst mit Kontrolle, Herrschaft und Macht in Verbindung gebracht wird? Das darf man durchaus fragen, angesichts einer nahezu vollständig selbstverständlichen und weitreichenden Technologieabhängigkeit. Wem das gänzlich abwegig erscheint, der möge sich fragen, wie es der Technologie-Industrie bisher gelungen ist, Produkte an hunderte Millionen oder gar Milliarden von Kunden zu verkaufen und gleichzeitig die negativen Konnotationen aus Orwell's 1984 und anderen Fiktionen zu vermeiden. Es ist durchaus bezeichnend, dass Jensen Huang, Gründer und CIO von NVIDIA, dem wichtigsten Hersteller von KI-Prozessoren der Welt, kürzlich eine Kollaboration im Bereich Robotics zwischen NVIDIA, Open AI und Disney Research verkündet hat. Das lässt erkennen, dass man auch für ernsthafte KI-gestützte Roboter-Technologie offenbar ein Unternehmen wie Disney benötigt, das den Maschinen Töne, Geräusche und Gesten einverleiben kann. Damit wird uns Menschen das Gefühl vermittelt, es mit intelligenten Wesen zu interagieren anstatt mit Plastik- und Aluminiumkästen und Kupferdrähten. Im besten Fall unterstützt uns die Technologie darin, einfach menschlich zu sein - eben Mensch zu sein. Doch das bedeutet auch, dass wir aufhorchen sollten, wenn die Grenze zur Entmenschlichung überschritten wird.
17. Februar 2025
Lebenslang lernen - Fluch oder Segen?
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